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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 2217/08
Rechtsgebiete: BAT-O, SGB II


Vorschriften:

BAT-O § 22
BAT-O § 24
SGB II § 44 b
Wird ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber mit höherwertigen Tätigkeiten als Geschäftsführer bei einer für fünf Jahre befristet gebildeten Arbeitsgemeinschaft (gem. § 44 b SGB II) betraut, dann muss der Arbeitnehmer nicht dauerhaft höhergruppiert werden. Es besteht nur ein Anspruch auf Zahlung einer Zulage nach § 24 Abs. 1 BAT-O.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

15 Sa 2217/08

Verkündet am 19. Februar 2009

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr G. und Herr Gr.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 09.09.2008 - 1 Ca 361/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Kern darüber, ob dem Kläger dauerhaft eine höhere Vergütung zu zahlen ist, obwohl diesem nur vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden ist.

Der Kläger war ursprünglich seit dem 1. Juli 1994 bei der beklagten Stadt als Hauptsachbearbeiter beschäftigt. Er erhielt eine Vergütung nach der Vgr. VI b BAT-O. Später wurde er als Sachbearbeiter im Amt für S. und W. eingesetzt. Nachdem er eine entsprechende Bewährungszeit zurückgelegt hatte, erhielt er ab dem 1. Juli 2004 eine Vergütung nach der Vgr. III BAT-O.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 (Kopie Bl. 12 d. A.) teilte die beklagte Stadt dem Kläger mit, dass er vorbehaltlich der Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung zu einem noch zu schließenden öffentlich-rechtlichen Vertrag ab dem 1. Januar 2005 befristet bis zum 31. Dezember 2009 als Geschäftsführer einer mit der Bundesagentur für A. zu gründenden Arbeitsgemeinschaft (ARGE) eingesetzt werden soll. In dieser Zeit solle er eine persönliche Zulage erhalten, die sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen der Vgr. III BAT-O und der Vgr. I b BAT-O bemesse. Am 23. Dezember 2004 schloss die Beklagte Stadt mit der Bundesagentur für A. einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Gründung und Ausgestaltung der ARGE (Bl. 46 ff. d. A.). Nach § 5 Abs. 9 dieses Vertrages konnte die Trägerversammlung den Geschäftsführer durch einstimmen Beschluss abberufen. Die beklagte Stadt stellte 73 der benötigten 115 bis 120 Mitarbeiter der ARGE.

Mit Schreiben vom 2. August 2007 (Kopie Bl. 14 d. A.) begehrte der Kläger rückwirkend die dauerhafte Eingruppierung, da die übertragenen Aufgaben nicht als vorübergehend einzustufen seien. Mit Schreiben vom 26. September 2007 teilte die beklagte Stadt dem Kläger mit, dass er aufgrund der Überleitung zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) ab dem 1. Oktober 2007 eine Zulage für die vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit erhalte, die der Entgeltgruppe 14, Stufe 4 entspreche.

Mit der am 27. März 2008 beim Arbeitsgericht Brandenburg eingegangenen und der beklagten Stadt am 1. April 2008 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er seit dem 1. Januar 2005 in die Vgr. I b BAT-O und seit dem 1. Oktober 2005 in die Entgeltgruppe 14 Stufe 4 TVöD einzugruppieren sei. Er hat hierbei die Ansicht vertreten, dass die Zahlung einer Zulage nach § 24 BAT-O deswegen nicht mehr in Betracht komme, weil der Zeitraum von fünf Jahren nicht mehr als "vorübergehend" einzustufen sei. Selbst wenn der Vertrag mit der Bundesanstalt für A. beendet werde, sei die beklagte Stadt weiterhin verpflichtet, Leistungen nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 SGB II zu erbringen. Auch insofern werde auch künftig eine Führungsposition zur Verfügung stehen müssen.

Die beklagte Stadt hält dies für nicht zutreffend. Gerade weil von Anfang an zweifelhaft gewesen sei, ob auf Basis des § 44 b SGB II diese Arbeitsgemeinschaften gebildet werden durften, müsse ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeber anerkannt werden, hinsichtlich der höherwertigen Tätigkeiten nur Zulagen zahlen zu müssen.

Das Arbeitsgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 9. September 2008 die Klage abgewiesen. Es sei schon unklar, ob der Kläger tatsächlich höherwertige Tätigkeiten im Sinne der Vgr. I b BAT-O ausübe. Darüber hinaus entspreche die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit billigem Ermessen, da es für die beklagte Stadt sachliche Gründe gab und gibt, keine dauerhafte Übertragung vorzunehmen. Mit Bildung der Arbeitsgemeinschaften habe man sich auf ein rechtlich neues Gebiet begeben, wobei von Anfang an erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestanden hätten. Allein wegen dieser Ungewissheit sei das Vorgehen der beklagten Stadt billigenswert.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 30. Oktober 2008 zugestellt worden. Am 10. November 2008 gingen die Berufung und am 19. Dezember 2008 die entsprechende Begründung beim Landesarbeitsgericht ein.

Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für fehlerhaft. Er ist der Ansicht, er hätte befristet höher eingruppiert werden müssen.

Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß

das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg a. d. H. vom 09.09.2008 - 1 Ca 361/08 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, ihm seit dem 01.01.2005 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe I b BAT-O und ab dem 01.10.2005 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 14, Stufe 5 TVöD zu zahlen;

2. hilfsweise festzustellen, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, ihm seit dem 01.01.2005 eine Vergütung nach der Vgr. I b BAT-O und seit dem 01.10.2005 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 14, Stufe 4 TVöD zu zahlen.

Die beklagte Stadt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Brandenburg a. d. H. die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch auf dauerhaft höhere Vergütung zur Seite. Vielmehr musste die beklagte Stadt nur eine Zulage nach § 24 BAT-O zahlen.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Es handelt sich um eine übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, die auch zu erheben ist, wenn der Arbeitnehmer statt Zahlung einer Zulage eine dauerhaft höhere Vergütung erstrebt (BAG vom 17.04.2002 - 4 AZR 174/01 - Rn. 26).

Da dem Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer der ARGE nur vorübergehend übertragen worden ist, scheidet eine dauerhafte Höhergruppierung an sich aus. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 2 S. 1 BAT-O. Danach ist der Angestellte in die Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Bei vorübergehender Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit ist demgegenüber eine Zulage nach § 24 BAT-O zu zahlen.

Das Bundesarbeitsgericht prüft in ständiger Rechtsprechung jedoch nach, ob die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ermessensfehlerhaft ist. Aus § 24 Abs. 1 BAT wird abgeleitet, dass der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts grundsätzlich berechtigt ist, eine andere, höherwertige Tätigkeit zu übertragen (BAG vom 17.01.2006 - 9 AZR 226/05 - AP Nr. 6 zu § 24 BAT-O - Rn. 34). Bei der Ausübung des tariflich erweiterten Weisungsrechts hat der Arbeitgeber jedoch billiges Ermessen nach § 106 GewO i. V. m. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB zu beachten. Eine Leistungsbestimmung wird billigem Ermessen dann gerecht, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden, was der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Rechtskontrolle bestimmt sich nach der dem Arbeitgeber bekannten Interessenlage im Zeitpunkt der Ausübung seines Weisungsrechts (BAG a. a. O. Rn. 35 f.). Bei der Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist eine doppelte Billigkeitskontrolle vorzunehmen. Die Tätigkeitsübertragung muss "an sich" und auch bezogen auf die "Nicht-Dauerhaftigkeit" dem billigem Ermessen entsprechen (BAG a. a. O. Rn. 37). Grundsätzlich besteht keine zeitliche Beschränkung für die Übertragung höherwertiger Aufgaben (BAG a. a. O. Rn. 46).

Bei Anwendung dieser Grundsätze entsprach die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit als Geschäftsführer für fünf Jahre dem billigen Ermessen. Der Kläger wendet sich nicht gegen die Übertragung dieser Tätigkeit "an sich", sondern er wehrt sich nur dagegen, dass er nicht dauerhaft höher vergütet wird. Hierbei ist einerseits sein Interesse zu berücksichtigen, eine sichere arbeitsvertragliche Grundlage auch bzgl. der Vergütung zu haben. Andererseits ist das Interesse der beklagten Stadt zu beachten, wonach die Bildung der Arbeitsgemeinschaften gem. § 44 b SGB II ohne entsprechend vorangegangene Erfahrungen erfolgte. Hinzu kam, dass von Anfang an Zweifel bestanden, ob diese Ermächtigungsgrundlage rechtswirksam ist. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht später diese Norm als unvereinbar mit dem Grundgesetz eingestuft (BVerfG vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04). Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ist der Zeitraum von fünf Jahren auch noch als "vorübergehend" im Sinne von § 24 Abs. 1 BAT-O aufzufassen. So ist es nach der Protokollnotiz Nr. 2 zu 1 SR 2y BAT möglich, einen Zeitvertrag für die Dauer von fünf Jahren zu befristen. Wenn dies schon für das gesamte Arbeitsverhältnis möglich ist, muss dies auch für die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten gelten. Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt, dass eine zeitliche Höchstgrenze nicht gegeben ist. Gerade weil die Träger der Leistungen nach dem SGB II mit Bildung der Arbeitsgemeinschaften ein völlig neues Feld betreten hatten, musste ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, hierbei entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Nur so kann sinnvoll beurteilt werden, ob derartige Zusammenschlüsse eine Zukunftsperspektive haben. Auch insofern erscheint eine "Experimentierphase" von fünf Jahren sinnvoll. Geht man jedoch davon aus, dass nach dem 31.12.2009 die Arbeitsgemeinschaft wieder aufgelöst wird, dann ist - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - jedenfalls nicht ersichtlich, dass für die bei der beklagten Stadt verbleibenden Aufgaben eine derart hochwertige Leitungsstelle vorgehalten werden muss. Im Übrigen wäre die Trägerversammlung der Arbeitsgemeinschaft nach § 5 Abs. 9 des öffentlich-rechtlichen Vertrages berechtigt, den Geschäftsführer auch vor Ablauf seiner Amtszeit von fünf Jahren abzuberufen. Dann müsste der Kläger wieder bei der beklagten Stadt weiterbeschäftigt werden. Zumindest in diesem Zeitpunkt wäre auch nach Annahme des Klägers eine derart hochwertige Leitungsposition bei der beklagten Stadt nicht vorhanden. Auch dies rechtfertigt es, ihm die höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen.

Weil der Kläger nicht dauerhaft höher einzugruppieren war, waren sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag abzuweisen. Insofern konnte offen bleiben, ob die Annahme des Arbeitsgerichts zutreffend ist, wonach nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Tätigkeit als Geschäftsführer einer Arbeitsgemeinschaft grundsätzlich eine Eingruppierung in die Vgr. I b BAT-O rechtfertigen könnte.

Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 98 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Die Kriterien für die Nachprüfbarkeit einer Ermessensentscheidung nach § 24 BAT-O sind vom Bundesarbeitsgericht geklärt.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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